von Ralf Schneider, Rheinische Post
Dinslaken (RP) Die Liebe triumphiert über das Verlangen, Sehnsucht und Melancholie werden zu respektvoller Geste und leiser Bewegung, zu behutsamer Annäherung und zartem Schweben. Tango in einer Kirche zu tanzen, verlangt Respekt vor dem sakralen Raum. Zollen ihn die Tänzer, eröffnen sich ihnen neue Möglichkeiten der Berührung, des Loslassens und Sich-Findens. Auch aus der Distanz beobachtet, ist dies ein Erlebnis. Die rund 140 Besucher in der Herz-Jesu-Kirche Oberlohberg spürten dabei zugleich große Nähe. In der Reihe „Lyrik und Musik im November“ präsentierte der Förderverein der Kirche am Sonntagabend als drittes Element den Tanz. Passend zum Thema „Toca me“ – das ist Argentinisch und bedeutet „Berühre mich!“ – konnte dies nur der Tango sein.
Die Akustik in der Herz-Jesu-Kirche begeisterte auch das Akkordeonorchester Oberhausen. Unter der Leitung von Heinz Kruza spielten die Musiker Stücke von Astor Piazzolla.
Perfekte Harmonie
Melanie Bongert und Peter Keup präsentierten ihn in perfekter Harmonie. Gerade so, als wollten sie das Publikum spüren lassen, was der argentinische Komponist und Bühnenautor Enrique Santos Discépolo damit meinte, als er sagte, Tango sei ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann. Musikalisch unterstützt vom Akkordeonorchester Oberhausen, das die Reise nach Lateinamerika mit einigen besonders getragenen und sehr gefühlvollen Kompositionen von Astor Piazzolla begleitete, übersetzte das Paar diesen Gedanken in Drehungen und Achten, enges Kreuzen der Beine und schwungvolles Spiel mit dem Abstand soweit es die begrenzten Platzverhältnisse im Mittelgang des Gotteshauses erlaubten. In vorangegangenen Veranstaltungen hatte das Wort stets mehr Gewicht als der Klang. Diesmal gelang es dem Förderverein, Literatur, Musik und Tanz so miteinander zu verbinden und ineinanderfließen zu lassen, dass jede Darbietung für sich genommen das Publikum berührte, zugleich aber unverzichtbarer Bestandteil eines vollkommenen Dreiklangs war. Musik und Tanz erschöpften sich nicht darin, stimmungsvolle Brücken zwischen den Textblöcken zu schlagen. Sie ergänzten die Lyrik.
Auch die hatte ihren ganz eigenen Klang. Den Schwerpunkt bildete das Werk des argentinischen Dichters Jorge Luis Borges. Lars Helmer, leitender Dramaturg der Burghofbühne, rezitierte Milongas, eine Weiterentwicklung der improvisierten Lieder der Gauchos, Lieder, in denen von Unschuld und Mut die Rede ist, von Feindes Messern und stummen Dolchen. Auch stellte er einige von Borges‘ Gedichten vor, jedes einzelne ein komplexes Gedankengeflecht. Es zu entschlüsseln, kostete mitunter einige Mühe. Wer die nicht aufbringen wollte, konnte sich aber auch nur dem Wohlklang der Worte hingeben. Und das in zwei Sprachen: Lars Helmer trug die Gedichte in deutscher Sprache vor, Dr. Jimena Torres auf Spanisch. Auch das berührte die Zuhörer. Das Publikum applaudierte lang und kräftig.